Tumorzentrum
  Aachen
  Aus der Arbeit des Tumorzentrums Aachen -

Früherkennung und der Nachsorge bei kolorektalen Karzinomen

Die Qualität der onkologischen Versorgung und die Prognose tumorkranker Menschen wird beeinflußt durch das Stadium der Erkrankung bei Diagnose. Umstritten ist jedoch derzeit, ob die im deutschen Gesundheitssystem angebotenen Früherkennungsuntersuchungen zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Ebenso umstritten ist, ob die zahlreichen apparativen Untersuchungen in der Tumornachsorge für den Verlauf der Tumorerkrankung und die Lebensqualität der Betroffenen einen Nutzen bringt. Das seit 1988 bestehende Tumorzentrum Aachen e.V., ein Zusammenschluß der niedergelassenen Ärzteschaft, der Krankenhäuser und der Universitätsklinik im Versorgungsbereich 7 mit ca. 1,05 Millionen Einwohnern registriert ca. 3100 bösartigen Neuerkrankungen pro Jahr, davon 450 kolorektale Karzinome. Damit liegt die Meldevollständigkeit für diese Tumoren im Vergleich zum Krebsregister Saarland zwischen 75 und 80% der geschätzten Inzidenz. Die altersspezifischen Inzidenzen deuten auf Erfassungslücken in den Altersgruppen über 80 Jahre auf. Aus der Analyse der zwischen dem 1.1.91 und 31.12.1995 diagnostizierten und im Tumorzentrum Aachen e.V. erfaßten Kolon- und Rektumkarzinome (N=2108) geht hervor, daß nur 3.2% der Fälle (N=67) im Rahmen der gesetzliche Früherkennung entdeckt wurden. Im Vergleich zu den übrigen waren die Tumorstadien in der Früherkennungsgruppe deutlich besser: über 73% der Tumoren befanden sich im Stadium Duke A oder B bei Diagnose (in der Vergleichsgruppe waren dies nur 48,6% (p=0.01). Bei einer mittlere Dauer des Follow-Up von 3 Jahren lag die Überlebenswahrschein-lichkeit der Früherkennungsgruppe bei 75%, für die übrigen Erkrankungen war diese nur 48% (p=0.0001). Als weitere wichtige Prognosefaktoren in der Survivalanalyse identifiziert wurden das Stadium bei Diagnose (nach Duke), Alter (in Jahren), Geschlecht, histologisches Grading, das Auftreten eines Rezidivs und die regelmäßige Nachsorge. Patienten, die sich in Abständen unter einem Jahr untersuchen ließen, hatten eine deutlich höhere Überlebenwahrscheinlichkeit als Patienten, die a) entweder gar nicht oder b) in größeren Abständen nachgesorgt wurden. Eine multivariate Cox’sche Regressionsanalyse zeigte eine um 70% höhere Überlebenswahrscheinlichkeit für die regelmäßig nachgesorgte Gruppe, eine Beobachtung, die der weiteren Abklärung bedarf. Bevölkerungsbezogene Daten sollten als Basis für eine wissenschaftliche Diskussion um Früherkennung und Nachsorge herangezogen werden. Tumorzentren und onkologische Schwerpunkte können hierzu die erforderlichen Informationen liefern, da sie flächendeckend sowohl die ambulante als auch stationäre onkologische Versorgung begleiten. Die im Vergleich zu den anderweitig diagnostizierten kolorektalen Tumoren um 60% verbesserte Prognose der Früherkennungsgruppe (p=0.002), unabhängig vom Tumorstadium und anderen prognostischen Faktoren, zeigt, daß Früherkennung wesentlich zur Steigerung der Versorgungsqualität und des Behandlungserfolges beiträgt. Randomisierte klinische Studien sind notwendig, um das beste Screeningverfahren und die damit möglichen Verbesserungen im Outcome zu identifizieren. Die zu überwindenden Probleme in der Akzeptanz eines zuverlässigen Tests (z.B.Sigmoidoskopie in Kombination mit Hämokkult-Test), sowie die damit verbundenen Kosten und erwarteten Nutzen müssen sorgfältig abgewogen werden. Die Daten des Tumorzentrum Aachen e.V. fordern dazu auf, effektive Früherkennungsprogramme auch in Deutschland flächendeckend zu erproben.

 
     
aus der Arbeit des
Tumorzentrums
 

Brustkrebs bekämpfen durch Früherkennung

- eine wichtige Aachener Initiative In Aachen ist die Brustkrebsmortalität auch altersspezifisch erkennbar höher als im Saarland. Dieses in der Region beobachtetet und viel diskutierte Phänomen spielt als gewichtiger Grund für das Interesse der Aachener Region am Mammographie-Screening Programm eine große Rolle. Zwischen den beteiligten Kommunen können keine Unterschiede in Altersverteilung oder Brustkrebssterblichkeitsrate festgestellt werden.

Im Vergleich zu den Daten des Krebsregisters Saarland wird deutlich, daß die Region Aachen eine etwa gleich hohe Inzidenz von Mammakarzinomen pro Jahr (seit 1994) registriert, etwa 100/100.000 Frauen erkranken jedes Jahr neu am Mammakarzinom. Der Vergleich ist altersstandardisisert und bereinigt für Carcinomata in situ und Mehrfachkarzinome. Die brustkrebsspezifische Mortalität ist über alle Jahre ist in Aachen höher als im Saarland (40/100.000 im Vergleich zu 30/100.000 Frauen).

Die Vollständigkeit der Erfassung der Inzidenz kann auf der Grundlage des Vergleichs der altersspezifischen Inzidenzraten über mehrere Jahre gut abgeschätzt werden. Die Aachener Daten sind bis in die Altersgruppe 70-75 Jahre gleich mit den saarländischen Inzidenzschätzungen, erst jenseits der 75 wird die Erfassung deutlich lückenhafter. Diese Unterschätzung der Inzidenz dürfte sich jedoch auf das Screning-Programm kaum auswirken, da die Inzidenz von Mammakarzinomen in den Zielaltersgruppen 50 bis 69 Jahre über 90% beträgt.


 
     
  Abbildung 10: Neuerkrankungen im Bereich des Tumorzentrums Aachen e.V. und im Saarland  
     
    Stadienverteilung bei Diagnose

Als eine der möglichen Ursachen für die erhöhte Brustkrebssterblichkeit in der Aachener Region könnte die ungünstige Stadienverteilung bei Diagnose heran geführt werden. Die Auswertungen von Daten aus dem Aachener Tumorzentrum , der an ihm angesiedelten Feldstudie Mammakarzinome und den Vergleichsdaten aus anderen Feldstudienregionen und den angrenzenden Niederlanden zeigen, daß nur ein Drittel der diagnostizierten Mammakarzinome in prognostisch günstigen Stadien in Aachen entdeckt werden über den gesamten Beobachtungszeitraum von über 10 Jahren. Bei Teilnehmerinnen am gesetzlichen Früherkennungsprogramm erhöht sich der Anteil der günstigen Stadien auf 50%, jedoch bei Teilnehmerinnen am niederländischen Screening beträgt dieser Anteil 76% in der ersten Runde und 79% in den Folgerunden. Andere Regionen in Deutschland wie z.B. München scheinen auch eine günstigere Stadienverteilung bei Diagnose aufzuweisen als Aachen.

Entwicklung der Tumorstadienverteilung bei Erstdiagnose Mammakarzinom Regionaler Vergleich:
Aachen, München, Niederlande (NL)
Region Tumorstadienverteilung bei Diagnose
  tis T1 T2 T3 T4 Tx
Aachen (1998-1995) alle Fälle 3,0 34,8 39,8 7,4 9,4 5,5
Aachen (1998-1995) gesetzl. Früherkennung 8,3 49,2 36,0 4,9* 1,6
Aachen (1995-1997) alle Fälle 3,3 33,8 43,2 6,0 12,5 1,2
München (1995-1997) 5,5 54,0 31,4 3,9 6,0 0,2
NL (1990-1995) Screening, 1.Runde 14,0 62,0 20,0** 5,0
NL (1990-1995) Screening, Folgerunde 15,0 64,0 17,0** 5,0

* Stadium T3+T4 ** Stadium T2 und darüber

 
     
    Auf der Grundlage dieser Datenanalysen wurde in der Region Aachen die Notwendigkeit von Veränderungen des jetzigen Versorgungsangebots, insbesondere auch bei den Selbsthilfegruppen und den Frauenorganisationen, laut. Innerhalb der Ärzteschaft wurden mögliche Ursachen, einschließlich methodischer Unterschiede zwischen den Feldstudien oder eine nicht flächendeckende Erfassung der Tumore in der Region Aachen diskutiert (Selektionsbias). Diese Erklärung konnte nach Auswertung der in den vier pathologische Instituten der Region Aachen gestellten Mammakarzinom-Diagnosen durch die Feldstudie verworfen werden.

Anteil der durch das herkömmliche gesetzliche Früherkennungsprogramm entdeckten Mammakarzinome - einschließlich Stadienverteilung

Der Anteil der durch die gesetzliche Früherkennung diagnostizierten Mammakarzinome ist über die Jahre in Aachen nicht höher als 15% aller registrierten Brustkrebserkrankungen. Auswertungen der gesetzlichen Krankenversicherungen und der KVNO ergaben, dass nur etwa 40% der anspruchsberechtigten Frauen in der Region überhaupt die Früherkennung in Anspruch nahmen, und dass die Hälfte aller durchgeführten Mammographien (Indikation nicht unterscheidbar zwischen kurativer Mammographie und Früherkennung) bei Frauen unter 50 Jahren vorgenommen wurden. Diese Resultate verdeutlichen aus einer anderen Perspektive, wie notwendig eine Ergänzung und Neuorganisation der Brustkrebsfrüherkennung innerhalb des gesetzlichen Früherkennungsprogrammes sind.

Regelmäßige Auswertungen über die medizinische Versorgung werden vom Tumorzentrum Aachen e.V. im Rahmen des regionalen Qualitätssicherungsprogrammes an die behandelnden Abteilungen zurück gespiegelt. Diese Daten dienten u.a. als Grundlage für die Verabredung von gemeinsamen Behandlungsstrategien und die Befolgung von Leitlinien.